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OLG Frankfurt am Main · Urteil vom 3. Dezember 2014 · Az. 17 U 130/14

 

Es ist grundsätzlich mit dem BGH (Anerkenntnisurteil vom 15.01.2013 – XI ZR 512/11) davon auszugehen, dass § 497 Abs. 1 BGB als Sondervorschrift für die Schadensberechnung bei Krediten, die wegen Zahlungsverzugs gekündigt werden, neben dem gesetzlichen Anspruch auf Verzugszinsen keinen Anspruch auf eine abstrakt zu berechnende Vorfälligkeitsentschädigung zulässt. Solange sich der Schuldner in Verzug befindet, schließt die Regelung in § 497 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 die Geltendmachung einer weitergehenden Vorfälligkeitsentschädigung als zusätzlichen Erfüllungsschaden aus. Nach der gesetzlichen Regelung zum Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § BGB § 497 Absatz 1 BGB ist die Klägerin somit weder berechtigt, den eigenen Verwaltungsaufwand als Verzugsschaden geltend zu machen, wenn sie gleichzeitig Verzugszinsen gemäß § 497 Absatz 1 Satz 1 BGB verlangt, noch kann sie außerhalb eines Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung als entgangenen Gewinn im Sinne der §§ 280, 249, 252 BGB erfolgreich geltend machen.


OLG Frankfurt am Main · Urteil vom 3. Dezember 2014 · Az. 17 U 130/14


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.05.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 9.118,18 € abzüglich am 16.04.2013 gezahlter 911,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 775,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2013 zu zahlen.


Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch Beschluss vom 30.05.2014 der Klägerin auferlegten außergerichtlichen Kosten der X AG zu tragen.


Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.


Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf die Rückzahlung einer von ihr und ihrem Ehemann gemeinsam geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung aus einer Immobilienfinanzierung in Anspruch.


Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen bei der Beklagten ein Darlehen zur Finanzierung des Anwesens Straße1 in O1 über eine Darlehenssumme von insgesamt 113.000 € auf. Der für zehn Jahre festgeschriebene effektive Zinssatz lag bei 5,54 % p. a.


Nach dem Auftreten von Zahlungsrückstände mahnte die Klägerin die Beklagte und ihren Ehemann mit Schreiben vom 19.12.2011 zur Zahlung der damals rückständigen Rate in Höhe von 639,70 € und erinnerte anschließend mit Schreiben vom 05.01.2012 (Blatt 72 d. A.) an die Begleichung des Zahlungsrückstands, wobei sie vorsorglich auf die nach ergebnislosem Fristablauf drohende Möglichkeit der Kündigung hinwies.


Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 erklärte die Beklagte schließlich die Kündigung wegen Zahlungsverzugs gem. Nr. 12 ihrer Darlehensbedingungen mit sofortiger Wirkung und forderte die Klägerin und ihren Ehemann zur Rückzahlung des offenstehenden Betrages von 102.002,78 € nebst 2,62 % Zinsen p. a. zuzüglich eines von ihr errechneten Refinanzierungsschadens in Höhe von 9.118,18 € auf. Als die Beklagte die Verwertung der zugunsten der Beklagten bestellten Grundschuld in Höhe einer Summe von 145.000,- € betrieb, kam es anschließend zur notariellen Veräußerung des Grundstücks, anlässlich derer der Notar den Käufer zur Überweisung des Kaufpreises in Höhe von 229.000,- € auf das Konto der Klägerin und ihres Ehemanns bei der Beklagten veranlasste. Davon übertrug die Beklagte neben dem offenen Darlehensbetrag nebst Verzugszinsen auch eine Vorfälligkeitsentschädigung auf das bei der Beklagten geführte Darlehenskonto, worauf anschließend die als Sicherheit dienende Grundschuld gelöscht wurde. Dabei ermittelte die Klägerin die zu ihren Gunsten vereinnahmte Vorfälligkeitsentschädigung auf der Grundlage der am Tage der vollständigen Rückzahlung noch offenen Darlehensschuld mit 8.206,38 €, deren Rückzahlung die Klägerin sowohl aus eigenem Recht als auch zugleich aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes geltend gemacht hat.


Durch das am 30.05.2014 verkündete Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 I Nr. 1 ZPO in vollem Umfang Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.


Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rückforderung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, da die Beklagte gem. § 498, 280 BGB neben dem Verzugsschaden insoweit auch die Vorfälligkeitsentschädigung als denjenigen Schaden ersetzt verlangen könne, welcher ihr durch die vorzeitige Kündigung des Darlehens entstanden sei. Eine Beschränkung des Anspruchs des Darlehensgebers bei Kündigung auf den reinen Verzugsschaden gem. §§ 503 Abs. 2, 497 Abs. 1 BGB komme nicht in Betracht, da zwischen dem Verzugsschaden als Verzögerungsschaden und dem Erfüllungsschaden zu unterscheiden sei. Auch aus der Regelung des § 497 Abs. 1 BGB ergebe sich nichts anderes. Dass der Darlehensnehmer nach dem Wortlaut des § 497 Abs. 1 BGB den „geschuldeten Betrag“ zu verzinsen habe, stelle eine Regelung über den Verzugsschaden dar, ohne dass sich daraus eine Aussage zu einem Erfüllungsschaden ergebe. Auch wenn § 503 Abs. 1 BGB anordne, dass die Vorschrift des § 502 BGB auf Immobilienverträge keine Anwendung finde, führe das nicht zu einem Ausschluss der Geltung des § 490 Abs. 2 BGB für Immobiliendarlehensverträge. Vielmehr entstünde andernfalls ein Wertungswiderspruch, wenn der Vertragstreue, das Darlehen vorzeitig kündigende Darlehensnehmer einen Schadensersatz in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müsste, während der säumige Darlehensnehmer im Falle einer auf seinen nicht vertragsgerechtes Verhalten zurückzuführenden Kündigung durch den Darlehensgeber einen solchen Schadensersatz nicht schulde. Insoweit würde andernfalls auch ein Anreiz geschaffen, während einer Phase sinkender Zinsen anstelle einer eigenen Kündigung nach § 490 Abs. 2 BGB eine Kündigung durch den Darlehensgeber zu provozieren, um im Anschluss hieran eine günstigere Zinsvereinbarung bei einem neuen Darlehen vereinbaren zu können.


Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er seinen Anspruch auf Rückzahlung des Betrages von 8.206,38 € unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter verfolgt. Insoweit schließe in Einklang mit den bekannt gewordenen Äußerungen des Vorsitzenden des 11. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2013 die Möglichkeit der Geltendmachung eines Verzugsschadens in einem Verbraucherdarlehen gem. § 497 Abs. 1 BGB die Geltendmachung des Erfüllungsschadens wie im konkreten Fall aus. Im Übrigen habe die Beklagte durch den Terminzwang mittels einer angedrohten Versteigerung der Klägerin bereits einen erheblichen Schaden deshalb zugefügt, weil im Rahmen des zeitnah notwendigen freihändigen Verkaufs ein deutlich unterhalb des Wertes der Immobilie liegende Kaufpreis habe vereinbart werden müssen, wodurch ein Schaden von über 60.000 € zugrunde zu legen sei.


Schließlich werde für die Klägerin der Widerruf des Darlehensvertrages erklärt, der mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung noch möglich sei.


Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.118,18 € abzüglich am 16.04.2013 gezahlter 911,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2013 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Das Landgericht sei insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass dem Darlehensgeber bei Kündigung des Darlehensvertrages neben dem Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens auch ein Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens zustehe. Im Anschluss an die Kündigung habe die Beklagte im Interesse einer zeitnahen Schuldentilgung keine Veranlassung besetzen, von der Beitreibung der fälligen Forderung abzusehen und sich durch ein Zuwarten der Gefahr einer vorrangigen Befriedigung anderer Gläubiger auszusetzen. Im Übrigen sei die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung auch inhaltlich zutreffend und rechtlich wirksam.


II.

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie führt auch in der Sache selbst zum Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte geleistete Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB zu, da die Beklagte nicht berechtigt war, aus dem auf das bei ihr geführte Konto überwiesenen Kaufpreis eine Vorfälligkeitsentschädigung in der verbliebenen Höhe von 8.206,38 € zu vereinnahmen.


Grundsätzlich kann bei der Grundstückszwangsversteigerung aus einer Grundschuld der Sicherungsgeber , d.h. die Klägerin und ihr Ehemann von der Sicherungsnehmerin (Beklagten) die Herausgabe des Erlöses bzw. Übererlöses als Rückgewährsanspruch verlangen (BGHZ 155, 63 ff.; Palandt/Bassenge, 70. Aufl. 2014, § 1191, Rn. 32). Der Sicherungsgeber hat einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, der sich in der Zwangsversteigerung bei einer teilweise nicht mehr valutierenden Grundschuld am Übererlös fortsetzt (OLG Frankfurt, Urteil vom 23.11.2011, 9 U 76/10, WM 2012, 2280-2285, Rn. 47; BGH, Urteil vom 11.10.1995, XII ZR 62/94).


Die Klägerin und ihr Ehemann als Zedent der an die Klägerin übertragenen Ansprüche können als Sicherungsgeber grundsätzlich die Rückzahlung des Betrages von noch 8.206,38 € verlangen, welchen die Beklagte aus dem überwiesenen Kaufpreis in Höhe von 299.000 € auf das bei der Beklagten geführte Konto für die Vorfälligkeitsentschädigung einbehalten hatte.


Auch wenn die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als solche inhaltlich nicht in Frage gestellt wird, ist grundsätzlich mit dem BGH (Anerkenntnisurteil vom 15.01.2013 – XI ZR 512/11) davon auszugehen, dass § 497 Abs. 1 BGB als Sondervorschrift für die Schadensberechnung bei Krediten, die wegen Zahlungsverzugs gekündigt werden, neben dem gesetzlichen Anspruch auf Verzugszinsen keinen Anspruch auf eine abstrakt zu berechnende Vorfälligkeitsentschädigung zulässt. Solange sich der Schuldner in Verzug befindet, schließt die Regelung in § 497 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 die Geltendmachung einer weitergehenden Vorfälligkeitsentschädigung als zusätzlichen Erfüllungsschaden aus. Nach der gesetzlichen Regelung zum Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § BGB § 497 Absatz 1 BGB ist die Klägerin somit weder berechtigt, den eigenen Verwaltungsaufwand als Verzugsschaden geltend zu machen, wenn sie gleichzeitig Verzugszinsen gemäß § 497 Absatz 1 Satz 1 BGB verlangt, noch kann sie außerhalb eines Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung als entgangenen Gewinn im Sinne der §§ 280, 249, 252 BGB erfolgreich geltend machen.


Der jeweilige gesetzliche Zinssatz tritt mit Eintritt des Zahlungsverzugs an die Stelle des von den Parteien vereinbarten Zinssatzes. Insoweit ist der Beklagten zwar im Ergebnis zu folgen, dass diese Rechtsfolge im Ansatz zwar eine Privilegierung des vertragsbrüchigen Schuldners gegenüber dem Vertragstreuen zur Folge hat (So der Vorwurf von Emmerich JuS 1991, 705, 710), doch dürften die drohenden Folgen des § 498 BGB mit der Gesamtfälligstellung bzw. bei Immobiliardarlehensverträgen mit der Verzinsung in § 503 Abs. 2 BGB einen Anreiz zum Vertragsbruch eher ausschließen. Neben dem vorstehend skizzierten Schadensersatz scheidet ein weitergehender Erfüllungsschaden jedenfalls aus.


Die Beklagte kann sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, dass mit Rückführung der Darlehensvaluta durch die Überweisung des Kaufvertrages der eigentliche Rückzahlungsanspruch gem. § 362 BGB mit der Folge erloschen sei, dass sich der Darlehensnehmer in diesem Zeitpunkt nicht mehr in Verzug befinde und die Bank deshalb ab diesem Zeitpunkt Schadensersatz in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen könne. Während neben dem Verzugsschaden gem. § 497 I BGB jedenfalls ein weiterer Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens ausgeschlossen ist, folgt daraus hinsichtlich der Vorfälligkeitsentschädigung im Umfang der Klageforderung in Höhe von 8.206,38 € ein auf die einbehaltene Vorfälligkeitsentschädigung gerichteter Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB. Indem die Klägerin und der Zedent Verzugszinsen für das im Kündigungszeitpunkt fällige und nicht gezahlte Kapital schulden, ohne gleichzeitig eine zu diesem Zeitpunkt fällige Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen zu können, kann es vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Beklagten einen vorliegend nicht geltend gemachten weiteren Verzugsschaden entsprechend § 497 I 3 BGB hätte beanspruchen können.


Eine abweichende Beurteilung kann auch nicht aus der Entscheidung des OLG München vom 31.01.2014 (17 U 4313/13) hergeleitet werden. Auch wenn nach der Rückführung der eigentlichen Darlehensvaluta keine Überschneidung von als Ersatz des Verzugsschadens geltend gemachten Verzugsverzinsung und von gleichzeitig geltend gemachtem Ersatz des Zinsschadens mehr gegeben ist, besagt dies nichts für die als Erfüllungsschaden zu behandelnde Vorfälligkeitsentschädigung. Die auf eine getrennte Behandlung abstellende Ansicht ist jedoch nicht geeignet, die tragenden Gründe der Entscheidung des BGH infrage zu stellen, zumal ihr die notwendige Auseinandersetzung mit der notwendigen Begrenzung auf den reinen Verzugsschaden fehlt.


Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Darlehensgeber nach seiner Wahl im Sinne einer konkreten Schadensberechnung alternativ gemäß §§ 289 S 2, 288 Abs. 4, 280 Abs. 1 und 2 i.V. m. § 286 BGB einen tatsächlich entstandenen weitergehenden Schaden ersetzt verlangen kann; jedenfalls müsste er diesen konkret darlegen und nachweisen, wozu er nichts vorgetragen hat.


Soweit der Berufung der Klägerin aus den vorstehenden Gründen stattzugeben war, hat die Beklagte gem. §§ 91, 97 I ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.


Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.